Meilensteine Wörgl - Ludwig Wittgenstein

Kulturhistorische Natur- und Steindenkmäler

Gemeinde: Wörgl

Zeitkategorie: --

Chronik:

„Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrückt sind – oder doch ähnliche Gedanken – schon selbst einmal gedacht hat. –Sein Zweck wäre erreicht, wenn es Einem, der es mit Verständnis liest, Vergnügen bereitete.

Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt – wie ich glaube –, dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Mißverständnis der Logik unserer Sprache beruht. Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen. [...]

Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind. Wien, 1918 L.W.“

(Wittgenstein, Vorwort zum Tractatus Logico-philosophicus)

Da Wittgenstein die Ausführungen, die er im Vorwort zu seinem „Tractatus“ formulierte, durchaus ernst nahm, hielt er nach der Veröffentlichung des Büchleins eine weitere Beschäftigung mit der Philosophie für sinnlos. Er verschenkte sein Vermögen, besuchte eine Lehrerbildungsanstalt in Wien und arbeitete von 1920 bis 1926 als Volksschullehrer.
Insgesamt kann man Wittgensteins Leben von außen betrachtet als Ringen zwischen der Philosophie und dem praktischen Leben ansehen – 1889 in Wien geboren, Sohn einer großbürgerlichen Familie, erhielt er prägende Anregungen durch Bertrand Russell und Johann Gottlob Frege. Er veröffentlichte außer einem einzigen kurzen Aufsatz zu seinen Lebzeiten nur ein einziges Buch, das 1921 unter dem Titel „Logisch-philosophische Abhandlung“ erschien (in einer von Wittgenstein nicht autorisierten, sehr fehlerhaften Fassung), 1922 in der englischen Ausgabe (ironisch?) als „Tractatus logico-philosophicus“ bezeichnet.

Nach seinem Intermezzo als Lehrer – wobei er zeitweise auch als Gärtnergehilfe arbeitete – promovierte er 1929 bei Bertrand Russel und George Edward Moore in Cambridge und lehrte dort ab 1930. 1939 wurde er Moores Nachfolger, arbeitete im Krieg als Sanitäter und legte 1947 seine Professur nieder, weil er sich für ungeeignet hielt! 1951 starb er in Cambridge.

Mit seinen Lehrern Moore und Russel gehört Wittgenstein zu den Philosophen des „linguistic turns“, jenes bahnbrechenden Neuansatzes in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, der besagt, dass es die eigentliche Aufgabe der Philosophie sein muss, sich mit der Sprache zu beschäftigen. Neben Cambridge entwickelte sich als zweites Standbein dieser Sprachphilosophie Wien mit den Mitgliedern des so genannten „Wiener Kreises“ und Wittgenstein als prominentesten Vertretern.

Wittgensteins frühes Denken findet sich verdichtet im Tractatus – einer kurzen Abhandlung, die lediglich aus aneinandergereihten Sätzen besteht, wobei diese durch Ziffern in der Rangordnung ihres logischen Gewichts aufgelistet sind. Ein streng mathematisch-analytisches System, das nicht leicht zu begreifen ist. Wittgensteins Hauptaussage besteht darin aufzuzeigen, dass philosophische Fragestellungen auf dem Missverständnis der Logik der Sprache beruhen. Der nächste Schritt ist die Untersuchung des Verhältnisses von Sprache, Denken und Wirklichkeit in deren Wechselwirkung:

„4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, wie wir sie uns denken.“ (Wittgenstein).

Die Voraussetzung ist, dass es tatsächlich eine Welt bestehend aus „elementaren Tatsachen“ gibt, eine Annahme, die Wittgenstein mit seinen Lehrern teilt (als Gegenposition zu den Neuidealisten, die in Weiterentwicklung der Hegelschen Ideen die radikale These vertreten hatten, dass jedes denkende Subjekt selber seine Welt schafft und es keine unabhängig vom Subjekt existierende Welt gibt).

Wie Russel geht auch Wittgenstein davon aus, dass die täglich verwendete „Umgangssprache“ den tatsächlichen abbildhaften Charakter der Sätze „verkleidet“; die Sprache selber muss somit analysiert und in eine logische Sprache zurückgeführt werden; dies ist die Aufgabe der Philosophen. Er kommt jedoch schließlich zur Einsicht, dass es die Struktur der Sprache selber unmöglich macht, über herkömmliche philosophische Probleme „des Lebens“ zu sprechen. Damit wurde der Tractatus zur Bibel des so genannten „Logischen Positivismus“. Die Frage, inwieweit sich Philosophie ausschließlich mit streng wissenschaftlich-logischen Problemen beschäftigen soll oder sich auch allgemeinen Lebensfragen zuwenden kann, ist seither Gegenstand der Debatte geblieben und führte im Zuge der Studentenbewegung zum so genannten „Positivismusstreit“.

Im weiteren Verlauf seines Lebens veränderte Wittgenstein seine Position, die dann in die „Philosophischen Untersuchungen“ einfließt, welche erst 1953 nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Diese sind nach Wittgensteins Aussagen eine Art „Zettelkasten“ und entsprechen seiner geänderten Auffassung von Philosophie; er sieht nun darin keine geschlossene Lehre mehr, sondern eine Tätigkeit, die fortlaufend Erläuterungen bietet. Seine neue Devise lautet „Denk nicht, sondern schau!“. Er sieht die Sprache nicht länger als losgelöstes Abstraktum wie im „Tractatus“, sondern als Hilfsmittel, Ausdruck und somit Bestandteil des menschlichen Lebens und der Gesellschaft.

So unterschiedlich und vielfältig wie die verschiedenen Lebensformen sind, so vielfältig ist die Bedeutung der Zeichen und deren Gebrauch. Und: Der Gebrauch begründet erst die jeweilige Bedeutung der Wörter und schließlich der Sätze!

Diese Wendung hin zur Sprache leitet eine neue Ära in der Wissenschaft ein, deren Auswirkungen noch andauern und die von Philosophen wie Michel Foucault und Jacques Derrida weitergedacht wurde. Was die Quantentheorie in der Physik auslöste, führte die Sprachkritik in der Philosophie fort und beide für die Betrachter heute so gegensätzlichen Wissenschaftszweige der geistes- und naturwissenschaftlichen Forschung treffen sich in der grundlegenden Erkenntnis, dass die Beobachter letztlich in ihren eigenen Beobachtungssystemen „gefangen“ sind und objektive Erkenntnis dadurch eingeschränkt wird, dass die Beobachter sich selber nicht ausschalten können.

Damit stößt die positivistische Wissensgläubigkeit der Moderne an ihre Grenzen; die Postmoderne beginnt.

Beschreibung:

Granitstein

Details

Gemeindename Wörgl
Gemeindekennzahl 70531
Ortsübliche Bezeichnung Meilensteine Wörgl - Ludwig Wittgenstein
Objektkategorie 1200 ( Kulturhistorische Natur- und Steindenkmäler | | )

Katastralgemeinde
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer
Ortschafts- bzw. Ortsteil
Straße und Hausnummer bzw. Flurname Bahnhofsstraße
Längengrad
Breitengrad

Tirol: denkmalgeschützt --

Höhe (m) 0.4
gemessen od. geschätzt gemessen
Breite (m) 0.6
gemessen od. geschätzt gemessen
Tiefe (m)
gemessen od. geschätzt --

Zustandsklassifizierung --
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös:
empfohlene Maßnahmen

Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) Granitstein
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details

Zeitkategorie --
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen) „Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrückt sind – oder doch ähnliche Gedanken – schon selbst einmal gedacht hat. –Sein Zweck wäre erreicht, wenn es Einem, der es mit Verständnis liest, Vergnügen bereitete.

Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt – wie ich glaube –, dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Mißverständnis der Logik unserer Sprache beruht. Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen. [...]

Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind. Wien, 1918 L.W.“

(Wittgenstein, Vorwort zum Tractatus Logico-philosophicus)

Da Wittgenstein die Ausführungen, die er im Vorwort zu seinem „Tractatus“ formulierte, durchaus ernst nahm, hielt er nach der Veröffentlichung des Büchleins eine weitere Beschäftigung mit der Philosophie für sinnlos. Er verschenkte sein Vermögen, besuchte eine Lehrerbildungsanstalt in Wien und arbeitete von 1920 bis 1926 als Volksschullehrer.
Insgesamt kann man Wittgensteins Leben von außen betrachtet als Ringen zwischen der Philosophie und dem praktischen Leben ansehen – 1889 in Wien geboren, Sohn einer großbürgerlichen Familie, erhielt er prägende Anregungen durch Bertrand Russell und Johann Gottlob Frege. Er veröffentlichte außer einem einzigen kurzen Aufsatz zu seinen Lebzeiten nur ein einziges Buch, das 1921 unter dem Titel „Logisch-philosophische Abhandlung“ erschien (in einer von Wittgenstein nicht autorisierten, sehr fehlerhaften Fassung), 1922 in der englischen Ausgabe (ironisch?) als „Tractatus logico-philosophicus“ bezeichnet.

Nach seinem Intermezzo als Lehrer – wobei er zeitweise auch als Gärtnergehilfe arbeitete – promovierte er 1929 bei Bertrand Russel und George Edward Moore in Cambridge und lehrte dort ab 1930. 1939 wurde er Moores Nachfolger, arbeitete im Krieg als Sanitäter und legte 1947 seine Professur nieder, weil er sich für ungeeignet hielt! 1951 starb er in Cambridge.

Mit seinen Lehrern Moore und Russel gehört Wittgenstein zu den Philosophen des „linguistic turns“, jenes bahnbrechenden Neuansatzes in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, der besagt, dass es die eigentliche Aufgabe der Philosophie sein muss, sich mit der Sprache zu beschäftigen. Neben Cambridge entwickelte sich als zweites Standbein dieser Sprachphilosophie Wien mit den Mitgliedern des so genannten „Wiener Kreises“ und Wittgenstein als prominentesten Vertretern.

Wittgensteins frühes Denken findet sich verdichtet im Tractatus – einer kurzen Abhandlung, die lediglich aus aneinandergereihten Sätzen besteht, wobei diese durch Ziffern in der Rangordnung ihres logischen Gewichts aufgelistet sind. Ein streng mathematisch-analytisches System, das nicht leicht zu begreifen ist. Wittgensteins Hauptaussage besteht darin aufzuzeigen, dass philosophische Fragestellungen auf dem Missverständnis der Logik der Sprache beruhen. Der nächste Schritt ist die Untersuchung des Verhältnisses von Sprache, Denken und Wirklichkeit in deren Wechselwirkung:

„4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, wie wir sie uns denken.“ (Wittgenstein).

Die Voraussetzung ist, dass es tatsächlich eine Welt bestehend aus „elementaren Tatsachen“ gibt, eine Annahme, die Wittgenstein mit seinen Lehrern teilt (als Gegenposition zu den Neuidealisten, die in Weiterentwicklung der Hegelschen Ideen die radikale These vertreten hatten, dass jedes denkende Subjekt selber seine Welt schafft und es keine unabhängig vom Subjekt existierende Welt gibt).

Wie Russel geht auch Wittgenstein davon aus, dass die täglich verwendete „Umgangssprache“ den tatsächlichen abbildhaften Charakter der Sätze „verkleidet“; die Sprache selber muss somit analysiert und in eine logische Sprache zurückgeführt werden; dies ist die Aufgabe der Philosophen. Er kommt jedoch schließlich zur Einsicht, dass es die Struktur der Sprache selber unmöglich macht, über herkömmliche philosophische Probleme „des Lebens“ zu sprechen. Damit wurde der Tractatus zur Bibel des so genannten „Logischen Positivismus“. Die Frage, inwieweit sich Philosophie ausschließlich mit streng wissenschaftlich-logischen Problemen beschäftigen soll oder sich auch allgemeinen Lebensfragen zuwenden kann, ist seither Gegenstand der Debatte geblieben und führte im Zuge der Studentenbewegung zum so genannten „Positivismusstreit“.

Im weiteren Verlauf seines Lebens veränderte Wittgenstein seine Position, die dann in die „Philosophischen Untersuchungen“ einfließt, welche erst 1953 nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Diese sind nach Wittgensteins Aussagen eine Art „Zettelkasten“ und entsprechen seiner geänderten Auffassung von Philosophie; er sieht nun darin keine geschlossene Lehre mehr, sondern eine Tätigkeit, die fortlaufend Erläuterungen bietet. Seine neue Devise lautet „Denk nicht, sondern schau!“. Er sieht die Sprache nicht länger als losgelöstes Abstraktum wie im „Tractatus“, sondern als Hilfsmittel, Ausdruck und somit Bestandteil des menschlichen Lebens und der Gesellschaft.

So unterschiedlich und vielfältig wie die verschiedenen Lebensformen sind, so vielfältig ist die Bedeutung der Zeichen und deren Gebrauch. Und: Der Gebrauch begründet erst die jeweilige Bedeutung der Wörter und schließlich der Sätze!

Diese Wendung hin zur Sprache leitet eine neue Ära in der Wissenschaft ein, deren Auswirkungen noch andauern und die von Philosophen wie Michel Foucault und Jacques Derrida weitergedacht wurde. Was die Quantentheorie in der Physik auslöste, führte die Sprachkritik in der Philosophie fort und beide für die Betrachter heute so gegensätzlichen Wissenschaftszweige der geistes- und naturwissenschaftlichen Forschung treffen sich in der grundlegenden Erkenntnis, dass die Beobachter letztlich in ihren eigenen Beobachtungssystemen „gefangen“ sind und objektive Erkenntnis dadurch eingeschränkt wird, dass die Beobachter sich selber nicht ausschalten können.

Damit stößt die positivistische Wissensgläubigkeit der Moderne an ihre Grenzen; die Postmoderne beginnt.

Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher)

Ludwig Wittgenstein

Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen Christoph Helferich, Geschichte der Philosophie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken, Stuttgart 1985, S. 283-289.

Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914-16. Philosophische Untersuchungen [Ludwig Wittgenstein Werkausgabe, Band 1], Frankfurt a. M. 1984.

kuf woergl
Datum der Erfassung 2019-11-30
Datum der letzten Bearbeitung 2020-01-07
letzter Bearbeiter kuf woergl

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