Meilensteine Wörgl - Elfriede Jelinek erhält den Nobelpreis für Literatur
Gemeinde: Wörgl
Zeitkategorie: --
Chronik:
Die Verleihung des Literaturpreises an Elfriede Jelinek war in mancher Hinsicht eine Sensation, löste Erstaunen und Begeisterung darüber aus, dass eine „schwierige“ Autorin wie Jelinek mit diesem etablierten Preis geehrt wurde. In Österreich gingen vielfach Emotionen hoch, weil Jelinek zu ihrer Heimat sehr kritisch Position bezieht. Die Bedeutung dieser Preisverleihung und die Würdigung Jelineks lassen sich kaum besser wiedergeben als in den Stimmen des Dezembers 2004:
Die Stimme der Presse:
„Daß Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis erhält, ist eine in jedem Sinn phantastische Entscheidung der Stockholmer Akademie. Mit der am 20. Oktober 1946 im österreichischen Mürzzuschlag in der Steiermark geborenen Schriftstellerin und Dramatikerin hat eine der sprachmächtigsten Figuren der deutschsprachigen Literatur die Ehrung erfahren, die ihr gebührt. Denn in Elfriede Jelinek wird eigentlich ein Sprachstrom gewürdigt, ein nicht abreißen wollender unruhiger Fluß, der sich ohne Halten in seine Richtung ergießt und den ganzen Abraum fehlgelaufener Körper- und Völkerpolitiken vor sich herschiebt. Die Wucht dieser Rede, die meistens über die Geschlechter handelt – über die Männer und die Frauen und über die biologische Merkmale ganz wörtlich -–, hat dazu geführt, daß Elfriede Jelinek die literarische Person ist, die am stärksten polarisiert: Die eminente, ganz buchstäbliche Unerhörtheit ihrer Worte und Texte und Einlassungen liegt nicht zum Geringsten darin, daß sie stets als Frau spricht – als Geschlechtswesen. Für ihre stahlharten Auftritte hat sich Elfriede Jelinek die männliche Sprache angeeignet, nein: antrainiert, brutal in sich hineingeprügelt, so daß diese Sprache wieder aus ihr herausbrechen kann [...]“. FAZ, Rose-Maria Gropp, 7.10.2004
Auszug aus der Begründung der schwedischen Akademie:
"Der Nobelpreis für Literatur des Jahres 2004 wird Elfriede Jelinek verliehen für den musikalischen Fluß von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen. 1970 entstand der satirische Roman 'wir sind lockvögel baby!'. Er trägt den Charakter einer sprachlichen Widerstandshandlung, die gegen die Unterhaltungskultur und ihre verlogenen Vorstellungen von einem guten Leben gerichtet ist. Diese Romane ('Die Liebhaberinnen' [1974], 'Die Ausgesperrten' [1980] und der 1983 vor autobiografischem Hintergrund verfaßte Roman 'Die Klavierspielerin') stellen im Rahmen ihrer Problematik jeder für sich eine Welt ohne Gnade dar, in der der Leser mit einer festgefahrenen Ordnung von Gewalt und Unterwerfung, Jäger und Beute konfrontiert wird. Jelinek zeigt, wie die Klischees der Unterhaltungsindustrie ihren Einzug in das Bewußtsein der Menschen halten und ihren Widerstand gegen klassenbedingte Ungerechtigkeit und geschlechtliche Unterdrückung lähmen. In 'Lust' (1989) überführt Jelinek ihre Gesellschaftsanalyse in grundlegende Zivilisationskritik, wenn sie die sexuelle Gewalt gegen Frauen als Grundmuster unserer Kultur beschreibt. Jelinek hat mit leidenschaftlicher Wut Österreich gegeißelt, das sie in dem phantasmagorischen Roman 'Die Kinder der Toten' (1995) als Totenreich darstellt. Das Genre der Texte ist oft schwer zu bestimmen. Sie schweben zwischen Prosa und Poesie, Beschwörung und Hymne, sie enthalten Theaterszenen und filmische Sequenzen. Was sie in den Stücken der letzten Jahre auf die Bühne stellt, sind keine Charaktere, sondern 'Sprachflächen', die einander konfrontieren. Das bisher letzte publizierte dramatische Werk, die 'Prinzessinnendramen' ('Der Tod und das Mädchen I-V', 2003) variiert ein Grundthema der schriftstellerischen Tätigkeit, das Unvermögen der Frau, voll und ganz in einer Welt zum Leben zu gelangen, in der sie von stereotypen Bildern verdeckt wird."
(abgedruckt in Welt Kompakt Berlin vom 8. Oktober 2004)
Beschreibung:
Granitstein
Details
Gemeindename | Wörgl |
Gemeindekennzahl | 70531 |
Ortsübliche Bezeichnung | Meilensteine Wörgl - Elfriede Jelinek erhält den Nobelpreis für Literatur |
Objektkategorie | 1200 ( Kulturhistorische Natur- und Steindenkmäler | | ) |
Katastralgemeinde | |
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer | |
Ortschafts- bzw. Ortsteil | |
Straße und Hausnummer bzw. Flurname | Bahnhofsstraße |
Längengrad | |
Breitengrad |
Tirol: denkmalgeschützt | -- |
Höhe (m) | 0.4 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Breite (m) | 0.6 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Tiefe (m) | |
gemessen od. geschätzt | -- |
Zustandsklassifizierung | -- |
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös: empfohlene Maßnahmen |
Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) | Granitstein |
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details |
Zeitkategorie | -- |
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen) | Die Verleihung des Literaturpreises an Elfriede Jelinek war in mancher Hinsicht eine Sensation, löste Erstaunen und Begeisterung darüber aus, dass eine „schwierige“ Autorin wie Jelinek mit diesem etablierten Preis geehrt wurde. In Österreich gingen vielfach Emotionen hoch, weil Jelinek zu ihrer Heimat sehr kritisch Position bezieht. Die Bedeutung dieser Preisverleihung und die Würdigung Jelineks lassen sich kaum besser wiedergeben als in den Stimmen des Dezembers 2004: Die Stimme der Presse: „Daß Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis erhält, ist eine in jedem Sinn phantastische Entscheidung der Stockholmer Akademie. Mit der am 20. Oktober 1946 im österreichischen Mürzzuschlag in der Steiermark geborenen Schriftstellerin und Dramatikerin hat eine der sprachmächtigsten Figuren der deutschsprachigen Literatur die Ehrung erfahren, die ihr gebührt. Denn in Elfriede Jelinek wird eigentlich ein Sprachstrom gewürdigt, ein nicht abreißen wollender unruhiger Fluß, der sich ohne Halten in seine Richtung ergießt und den ganzen Abraum fehlgelaufener Körper- und Völkerpolitiken vor sich herschiebt. Die Wucht dieser Rede, die meistens über die Geschlechter handelt – über die Männer und die Frauen und über die biologische Merkmale ganz wörtlich -–, hat dazu geführt, daß Elfriede Jelinek die literarische Person ist, die am stärksten polarisiert: Die eminente, ganz buchstäbliche Unerhörtheit ihrer Worte und Texte und Einlassungen liegt nicht zum Geringsten darin, daß sie stets als Frau spricht – als Geschlechtswesen. Für ihre stahlharten Auftritte hat sich Elfriede Jelinek die männliche Sprache angeeignet, nein: antrainiert, brutal in sich hineingeprügelt, so daß diese Sprache wieder aus ihr herausbrechen kann [...]“. FAZ, Rose-Maria Gropp, 7.10.2004 Auszug aus der Begründung der schwedischen Akademie: "Der Nobelpreis für Literatur des Jahres 2004 wird Elfriede Jelinek verliehen für den musikalischen Fluß von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen. 1970 entstand der satirische Roman 'wir sind lockvögel baby!'. Er trägt den Charakter einer sprachlichen Widerstandshandlung, die gegen die Unterhaltungskultur und ihre verlogenen Vorstellungen von einem guten Leben gerichtet ist. Diese Romane ('Die Liebhaberinnen' [1974], 'Die Ausgesperrten' [1980] und der 1983 vor autobiografischem Hintergrund verfaßte Roman 'Die Klavierspielerin') stellen im Rahmen ihrer Problematik jeder für sich eine Welt ohne Gnade dar, in der der Leser mit einer festgefahrenen Ordnung von Gewalt und Unterwerfung, Jäger und Beute konfrontiert wird. Jelinek zeigt, wie die Klischees der Unterhaltungsindustrie ihren Einzug in das Bewußtsein der Menschen halten und ihren Widerstand gegen klassenbedingte Ungerechtigkeit und geschlechtliche Unterdrückung lähmen. In 'Lust' (1989) überführt Jelinek ihre Gesellschaftsanalyse in grundlegende Zivilisationskritik, wenn sie die sexuelle Gewalt gegen Frauen als Grundmuster unserer Kultur beschreibt. Jelinek hat mit leidenschaftlicher Wut Österreich gegeißelt, das sie in dem phantasmagorischen Roman 'Die Kinder der Toten' (1995) als Totenreich darstellt. Das Genre der Texte ist oft schwer zu bestimmen. Sie schweben zwischen Prosa und Poesie, Beschwörung und Hymne, sie enthalten Theaterszenen und filmische Sequenzen. Was sie in den Stücken der letzten Jahre auf die Bühne stellt, sind keine Charaktere, sondern 'Sprachflächen', die einander konfrontieren. Das bisher letzte publizierte dramatische Werk, die 'Prinzessinnendramen' ('Der Tod und das Mädchen I-V', 2003) variiert ein Grundthema der schriftstellerischen Tätigkeit, das Unvermögen der Frau, voll und ganz in einer Welt zum Leben zu gelangen, in der sie von stereotypen Bildern verdeckt wird." (abgedruckt in Welt Kompakt Berlin vom 8. Oktober 2004) |
Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher) |
Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen | http://meilensteine.woergl.at/ |
Datum der Erfassung | 2019-11-30 |
Datum der letzten Bearbeitung | 2020-01-08 |
letzter Bearbeiter | kuf woergl |