Meilensteine Wörgl - Harun al-Raschid
Gemeinde: Wörgl
Zeitkategorie: --
Chronik:
786-809 ist die Regierungszeit Harun al-Rashids aus der Dynastie der Abbasiden – bekannt ist der Kalif jedoch weniger als historische Persönlichkeit sondern vielmehr als literarische: Er ist eine der bekanntesten Figuren aus Tausendundeine Nacht und soll hier als Aufhänger für dieses große und verzaubernde literarische Werk dienen, das weder einen Autor noch eine fixe Entstehungszeit kennt und dessen Entstehungsgeschichte wohl so vielfältig und faszinierend ist, wie die Geschichten selber, die darin überliefert sind.Tausendundeine Nacht ist von den Anfängen an als regelrecht „exotisches“ Werk zu sehen, da es auch für die ersten arabischen Leser in Bagdad, Damaskus oder Kairo aus der Fremde, aus dem „Orient“ stammte. Die Rahmenhandlung – mit dem grausamen König Shahriyar und der klugen Erzählerin Schahrasad – spielt nämlich im Inselreich von Indien und China.
Den pseudohistorischen Rahmen stellen die Könige der Sasaniden, eine persische Dynastie, dar –mittlerweile ist es erwiesen, dass die ursprüngliche Vorlage sehr wahrscheinlich indisch war; diese wurde ins Persische übertragen und aus dem Persischen ins Arabische übersetzt. Während die indische Vorlage hypothetisch bleibt, war die persische Vorlage mit dem Titel Hasar Afsanah („Tausend Abenteuer“), die im Arabischen Alf Layla („Tausend Nächte“) hieß, in der arabischen Literatur der ersten islamischen Jahrhunderte noch bekannt. Bei der Übersetzung war das Werk zugleich islamisiert worden, mit islamischen Zitaten und Formeln angereichert, und damit für die arabische Welt adaptiert. Die arabische Übersetzung entstand nach Meinung der Forschung wohl bereits im 8. Jahrhundert und zwar in Bagdad.
Nun erst begann Tausendundeine Nacht zu wachsen.
Die Rahmengeschichte, die sicher von Anfang an schon einige Erzählungen beinhaltete, wurde mit immer neuen Erzählungen gefüllt und wirkte wie ein Magnet. Zu den ersten original arabischen Geschichten, die so zur alten Rahmengeschichte hinzugefügt wurden, zählen etwa auch die berühmten Kriminal- und Liebesgeschichten um Harun al-Rashid. Diese Geschichten spielen im 8./9. Jahrhundert in Bagdad. Im 11. und 12. Jahrhundert kamen dann vor allem Geschichten aus Ägypten dazu. Wann die erste Version mit dem gesamten Repertoire und dem vollen Titel (arabisch alf layla wa-layla) entstand, wissen wir nicht. Um 1150 ist der Titel zum ersten Mal in einem Notizbuch aus Kairo, das ausgeliehene Bücher verzeichnete, vollständig belegt. Das dazugehörige Buch ist jedoch nicht erhalten.
Wichtig ist zudem, dass das Werk keinen Autor, Sammler oder Redakteur kennt, alle Geschichten wurden anonym zusammengetragen. Die arabische Welt betrachtete die Sammlung der Geschichten als Trivialliteratur; teilweise waren sie wegen ihrer erotischen Komponente und der Geisteshaltung – wie überhaupt die mündlich weiter gegebenen Erzählungen der Straßenerzähler – sogar politisch verpönt.
Den eigentlichen Siegeszug begannen die Erzählungen mit ihrer Übersetzung ins Französische durch Antoine Galland (1704 ff.). Galland griff allerdings sehr stark in die arabische Handschrift ein, die ihm als Vorlage diente: Er strich die vielen Gedichte ebenso wie die anstößigen und freizügigen Passagen und nahm zusätzlich Geschichten dazu (etwa Sindbad der Seefahrer oder Ali Baba und die vierzig Räuber), die er sich von Hanna Diab, einem Erzähler in Aleppo eigens für seine Sammlung erzählen ließ. In dieser für das europäische Publikum adaptierten Fassung begannen Tausendundeine Nacht das Abendland und in der Folge vor allem Hollywood zu erobern und trugen zu unserem romantisch verklärten Orientbild wesentlich bei. Über diese westliche Hochschätzung wurde die Sammlung dann in einem zweiten Schritt auch in der arabischen Welt wert geschätzt. Deshalb gehört die abendländische Überlieferung zur Geschichte von Tausendundeine Nacht untrennbar dazu.
Problematisch und sehr bedauernswert anzusehen ist jedoch, dass die komplexen Geschichten zu einfachen und oft verkitschten Kindergeschichten umgeformt wurden. Verloren ging dabei zum einen die Figur der klugen Erzählerin Schahrasad, die durch ihre Klugheit und nicht durch ihre sexuellen Reize den König erotisiert und schließlich „bezwingt“; zum anderen die Komplexität und Freigeistigkeit der Geschichten, und damit ihre politisch-revolutionäre Sprengkraft. Neuere Übersetzungen (wie etwa jene von Claudia Ott) versuchen deshalb die Geschichten in ihrer ursprünglichen Fassung wieder zu verbreiten und ihnen damit ihre Bedeutung zurückzugeben. Trotz der vielfältigen und nicht immer vorteilhaften Überlieferungsgeschichte stehen Tausendundeine Nacht für eine verbindende „Liebesgeschichte“, die Orient und Abendland gemeinsam zu Überlieferern und Prägern dieser faszinierenden Erzählsammlung machte.
Beschreibung:
Granitstein
Details
Gemeindename | Wörgl |
Gemeindekennzahl | 70531 |
Ortsübliche Bezeichnung | Meilensteine Wörgl - Harun al-Raschid |
Objektkategorie | 1200 ( Kulturhistorische Natur- und Steindenkmäler | | ) |
Katastralgemeinde | |
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer | |
Ortschafts- bzw. Ortsteil | |
Straße und Hausnummer bzw. Flurname | Bahnhofsstraße |
Längengrad | |
Breitengrad |
Tirol: denkmalgeschützt | -- |
Höhe (m) | 0.4 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Breite (m) | 0.6 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Tiefe (m) | |
gemessen od. geschätzt | -- |
Zustandsklassifizierung | -- |
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös: empfohlene Maßnahmen |
Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) | Granitstein |
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details |
Zeitkategorie | -- |
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen) | 786-809 ist die Regierungszeit Harun al-Rashids aus der Dynastie der Abbasiden – bekannt ist der Kalif jedoch weniger als historische Persönlichkeit sondern vielmehr als literarische: Er ist eine der bekanntesten Figuren aus Tausendundeine Nacht und soll hier als Aufhänger für dieses große und verzaubernde literarische Werk dienen, das weder einen Autor noch eine fixe Entstehungszeit kennt und dessen Entstehungsgeschichte wohl so vielfältig und faszinierend ist, wie die Geschichten selber, die darin überliefert sind.Tausendundeine Nacht ist von den Anfängen an als regelrecht „exotisches“ Werk zu sehen, da es auch für die ersten arabischen Leser in Bagdad, Damaskus oder Kairo aus der Fremde, aus dem „Orient“ stammte. Die Rahmenhandlung – mit dem grausamen König Shahriyar und der klugen Erzählerin Schahrasad – spielt nämlich im Inselreich von Indien und China. Den pseudohistorischen Rahmen stellen die Könige der Sasaniden, eine persische Dynastie, dar –mittlerweile ist es erwiesen, dass die ursprüngliche Vorlage sehr wahrscheinlich indisch war; diese wurde ins Persische übertragen und aus dem Persischen ins Arabische übersetzt. Während die indische Vorlage hypothetisch bleibt, war die persische Vorlage mit dem Titel Hasar Afsanah („Tausend Abenteuer“), die im Arabischen Alf Layla („Tausend Nächte“) hieß, in der arabischen Literatur der ersten islamischen Jahrhunderte noch bekannt. Bei der Übersetzung war das Werk zugleich islamisiert worden, mit islamischen Zitaten und Formeln angereichert, und damit für die arabische Welt adaptiert. Die arabische Übersetzung entstand nach Meinung der Forschung wohl bereits im 8. Jahrhundert und zwar in Bagdad. Nun erst begann Tausendundeine Nacht zu wachsen. Die Rahmengeschichte, die sicher von Anfang an schon einige Erzählungen beinhaltete, wurde mit immer neuen Erzählungen gefüllt und wirkte wie ein Magnet. Zu den ersten original arabischen Geschichten, die so zur alten Rahmengeschichte hinzugefügt wurden, zählen etwa auch die berühmten Kriminal- und Liebesgeschichten um Harun al-Rashid. Diese Geschichten spielen im 8./9. Jahrhundert in Bagdad. Im 11. und 12. Jahrhundert kamen dann vor allem Geschichten aus Ägypten dazu. Wann die erste Version mit dem gesamten Repertoire und dem vollen Titel (arabisch alf layla wa-layla) entstand, wissen wir nicht. Um 1150 ist der Titel zum ersten Mal in einem Notizbuch aus Kairo, das ausgeliehene Bücher verzeichnete, vollständig belegt. Das dazugehörige Buch ist jedoch nicht erhalten. Wichtig ist zudem, dass das Werk keinen Autor, Sammler oder Redakteur kennt, alle Geschichten wurden anonym zusammengetragen. Die arabische Welt betrachtete die Sammlung der Geschichten als Trivialliteratur; teilweise waren sie wegen ihrer erotischen Komponente und der Geisteshaltung – wie überhaupt die mündlich weiter gegebenen Erzählungen der Straßenerzähler – sogar politisch verpönt. Den eigentlichen Siegeszug begannen die Erzählungen mit ihrer Übersetzung ins Französische durch Antoine Galland (1704 ff.). Galland griff allerdings sehr stark in die arabische Handschrift ein, die ihm als Vorlage diente: Er strich die vielen Gedichte ebenso wie die anstößigen und freizügigen Passagen und nahm zusätzlich Geschichten dazu (etwa Sindbad der Seefahrer oder Ali Baba und die vierzig Räuber), die er sich von Hanna Diab, einem Erzähler in Aleppo eigens für seine Sammlung erzählen ließ. In dieser für das europäische Publikum adaptierten Fassung begannen Tausendundeine Nacht das Abendland und in der Folge vor allem Hollywood zu erobern und trugen zu unserem romantisch verklärten Orientbild wesentlich bei. Über diese westliche Hochschätzung wurde die Sammlung dann in einem zweiten Schritt auch in der arabischen Welt wert geschätzt. Deshalb gehört die abendländische Überlieferung zur Geschichte von Tausendundeine Nacht untrennbar dazu. Problematisch und sehr bedauernswert anzusehen ist jedoch, dass die komplexen Geschichten zu einfachen und oft verkitschten Kindergeschichten umgeformt wurden. Verloren ging dabei zum einen die Figur der klugen Erzählerin Schahrasad, die durch ihre Klugheit und nicht durch ihre sexuellen Reize den König erotisiert und schließlich „bezwingt“; zum anderen die Komplexität und Freigeistigkeit der Geschichten, und damit ihre politisch-revolutionäre Sprengkraft. Neuere Übersetzungen (wie etwa jene von Claudia Ott) versuchen deshalb die Geschichten in ihrer ursprünglichen Fassung wieder zu verbreiten und ihnen damit ihre Bedeutung zurückzugeben. Trotz der vielfältigen und nicht immer vorteilhaften Überlieferungsgeschichte stehen Tausendundeine Nacht für eine verbindende „Liebesgeschichte“, die Orient und Abendland gemeinsam zu Überlieferern und Prägern dieser faszinierenden Erzählsammlung machte. |
Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher) |
Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen | Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott. München: Beck 2004. |
Datum der Erfassung | 2019-11-30 |
Datum der letzten Bearbeitung | 2020-01-07 |
letzter Bearbeiter | kuf woergl |