Meilensteine Wörgl - Kämpfe zwischen Heimatwehr und Schutzbund in Wörgl
Gemeinde: Wörgl
Zeitkategorie: --
Chronik:
Die politische Situation in der jungen und demokratisch unerfahrenen Republik Österreich war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg äußerst konfliktbeladen, wozu die paramilitärischen Verbände der Christlichsozialen Partei, die Heim- bzw. Heimatwehr (wie sie in Tirol bezeichnet wurde) und der Republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten ihren Teil beitrugen.
Die Lage verschärfte sich seit März 1933, als Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892-1934) das Parlament ausschaltete, wenig später den Schutzbund und am 19. Juni 1933 die immer stärker werdende und vom benachbarten Deutschland massiv unterstützte NSDAP verbot. Der Handlungsspielraum der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) wurde vor diesem Hintergrund immer enger, vor allem nachdem Dollfuß im September 1933 verkündet hatte, dass „die Zeit der Parteienherrschaft [...] vorbei“ sei und er einen „sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung“ aufbauen wolle. Darin hatte die SDAP keinen Platz und immer lauter waren die Rufe, vor allem aus der Heim(at)wehr, zu hören, die ein Verbot der Sozialdemokraten forderten.
Am 12. Februar 1934 wollte die als Hilfspolizei eingesetzte Heimwehr eine Razzia im Parteiheim der SDAP in Linz durchführen, zumal sie dort Waffen des illegalen Schutzbundes vermuteten. Die Schutzbündler leisteten jedoch bewaffneten Widerstand und sehr schnell kam es auch in anderen Orten Österreichs zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Vertretern der Staatsgewalt, die schließlich – vor allem in Wien – in bürgerkriegsähnliche Zustände mündeten.
Auch in Wörgl standen sich bewaffnete Schutzbündler aus dem Ort wie aus dem benachbarten Häring der Heimatwehr und Einheiten des Bundesheers gegenüber. Im Bereich des Bahnhofs und der Zellulosefabrik fielen auch Schüsse. Durch das besonnene Auftreten und ihre mäßigende Einflussnahme konnten der sozialdemokratische Bürgermeister Michael Unterguggenberger und Kooperator Franz Wesenauer jedoch Schlimmeres vermeiden und letztlich die Einstellung der Kämpfe erwirken. So gab es an diesem Tag zwar einige Verletzte, aber keine Toten in Wörgl.
Anderenorts hielten die bewaffneten Auseinandersetzungen noch bis 15. Februar an, wurden schließlich jedoch durch rücksichtslosen Waffeneinsatz der Regierungstruppen und unbarmherziges Vorgehen gegen die Schutzbündler blutig niedergeschlagen.
Bereits am 14. Februar war die SDAP verboten und ihre politischen Mandatare ihrer Ämter und Funktionen enthoben worden. Wörgl bekam anstelle des sozialdemokratischen Bürgermeisters Michael Unterguggenberger einen Repräsentanten des neuen Ständestaates als Regierungskommissar. Zwölf „Aufrührer“ und „Rädelsführer“ der in die Wörgler Kämpfe involvierten Schutzbündler wurden zu schwerem Kerker zwischen sechs Monaten und neun Jahren verurteilt, gegen weitere 77 Arbeiter wurde auf Grund einer Entschließung des Bundespräsidenten vom 18. Januar 1935 das Strafverfahren eingestellt. Mehrere Männer aus dem Wörgler Raum verließen nach dem Februar 1934, zum Teil mit Familie, ihre Heimat, emigrierten in die Schweiz, suchten in der Sowjetunion ihr Glück oder kämpften später auch im Spanischen Bürgerkrieg für Freiheit und Demokratie.
Im Mai 1934 trat in Österreich eine neue, eine „Ständestaatsverfassung“ in Kraft. Sie setzte an die Spitze des Staates eine alles lenkende Autorität, deren Herrschaftsinstrumentarien sich bestenfalls graduell, nicht aber prinzipiell von denen eines aus eigener Machtvollkommenheit regierenden Diktators unterschieden. Die staatlichen Entscheidungsstrukturen bauten auf eine Ordnung, die von oben nach unten gegliedert war und an deren Spitze eine erhabene Persönlichkeit stand, die gleichsam gottgewollt und jedenfalls über allem stehend Herrschaftsgewalt und Staatsvolk repräsentierte. Darin glichen sich das katholische Gesellschaftsmodell und das autoritäre oder diktatorische Staatsmodell; autonome und föderale Komponenten hatten darin keinen Platz!
Der österreichische Ständestaat scheiterte an seinen Widersprüchen, bzw. wurde durch ein anderes diktatorisches Regime aufgelöst, das 1945 ebenfalls wieder beseitigt wurde.
Beschreibung:
Granitstein
Details
Gemeindename | Wörgl |
Gemeindekennzahl | 70531 |
Ortsübliche Bezeichnung | Meilensteine Wörgl - Kämpfe zwischen Heimatwehr und Schutzbund in Wörgl |
Objektkategorie | 1200 ( Kulturhistorische Natur- und Steindenkmäler | | ) |
Katastralgemeinde | |
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer | |
Ortschafts- bzw. Ortsteil | |
Straße und Hausnummer bzw. Flurname | Bahnhofsstraße |
Längengrad | |
Breitengrad |
Tirol: denkmalgeschützt | -- |
Höhe (m) | 0.4 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Breite (m) | 0.6 |
gemessen od. geschätzt | gemessen |
Tiefe (m) | |
gemessen od. geschätzt | -- |
Zustandsklassifizierung | -- |
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös: empfohlene Maßnahmen |
Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) | Granitstein |
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details |
Zeitkategorie | -- |
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen) | Die politische Situation in der jungen und demokratisch unerfahrenen Republik Österreich war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg äußerst konfliktbeladen, wozu die paramilitärischen Verbände der Christlichsozialen Partei, die Heim- bzw. Heimatwehr (wie sie in Tirol bezeichnet wurde) und der Republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten ihren Teil beitrugen. Die Lage verschärfte sich seit März 1933, als Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892-1934) das Parlament ausschaltete, wenig später den Schutzbund und am 19. Juni 1933 die immer stärker werdende und vom benachbarten Deutschland massiv unterstützte NSDAP verbot. Der Handlungsspielraum der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) wurde vor diesem Hintergrund immer enger, vor allem nachdem Dollfuß im September 1933 verkündet hatte, dass „die Zeit der Parteienherrschaft [...] vorbei“ sei und er einen „sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung“ aufbauen wolle. Darin hatte die SDAP keinen Platz und immer lauter waren die Rufe, vor allem aus der Heim(at)wehr, zu hören, die ein Verbot der Sozialdemokraten forderten. Am 12. Februar 1934 wollte die als Hilfspolizei eingesetzte Heimwehr eine Razzia im Parteiheim der SDAP in Linz durchführen, zumal sie dort Waffen des illegalen Schutzbundes vermuteten. Die Schutzbündler leisteten jedoch bewaffneten Widerstand und sehr schnell kam es auch in anderen Orten Österreichs zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Vertretern der Staatsgewalt, die schließlich – vor allem in Wien – in bürgerkriegsähnliche Zustände mündeten. Auch in Wörgl standen sich bewaffnete Schutzbündler aus dem Ort wie aus dem benachbarten Häring der Heimatwehr und Einheiten des Bundesheers gegenüber. Im Bereich des Bahnhofs und der Zellulosefabrik fielen auch Schüsse. Durch das besonnene Auftreten und ihre mäßigende Einflussnahme konnten der sozialdemokratische Bürgermeister Michael Unterguggenberger und Kooperator Franz Wesenauer jedoch Schlimmeres vermeiden und letztlich die Einstellung der Kämpfe erwirken. So gab es an diesem Tag zwar einige Verletzte, aber keine Toten in Wörgl. Anderenorts hielten die bewaffneten Auseinandersetzungen noch bis 15. Februar an, wurden schließlich jedoch durch rücksichtslosen Waffeneinsatz der Regierungstruppen und unbarmherziges Vorgehen gegen die Schutzbündler blutig niedergeschlagen. Bereits am 14. Februar war die SDAP verboten und ihre politischen Mandatare ihrer Ämter und Funktionen enthoben worden. Wörgl bekam anstelle des sozialdemokratischen Bürgermeisters Michael Unterguggenberger einen Repräsentanten des neuen Ständestaates als Regierungskommissar. Zwölf „Aufrührer“ und „Rädelsführer“ der in die Wörgler Kämpfe involvierten Schutzbündler wurden zu schwerem Kerker zwischen sechs Monaten und neun Jahren verurteilt, gegen weitere 77 Arbeiter wurde auf Grund einer Entschließung des Bundespräsidenten vom 18. Januar 1935 das Strafverfahren eingestellt. Mehrere Männer aus dem Wörgler Raum verließen nach dem Februar 1934, zum Teil mit Familie, ihre Heimat, emigrierten in die Schweiz, suchten in der Sowjetunion ihr Glück oder kämpften später auch im Spanischen Bürgerkrieg für Freiheit und Demokratie. Im Mai 1934 trat in Österreich eine neue, eine „Ständestaatsverfassung“ in Kraft. Sie setzte an die Spitze des Staates eine alles lenkende Autorität, deren Herrschaftsinstrumentarien sich bestenfalls graduell, nicht aber prinzipiell von denen eines aus eigener Machtvollkommenheit regierenden Diktators unterschieden. Die staatlichen Entscheidungsstrukturen bauten auf eine Ordnung, die von oben nach unten gegliedert war und an deren Spitze eine erhabene Persönlichkeit stand, die gleichsam gottgewollt und jedenfalls über allem stehend Herrschaftsgewalt und Staatsvolk repräsentierte. Darin glichen sich das katholische Gesellschaftsmodell und das autoritäre oder diktatorische Staatsmodell; autonome und föderale Komponenten hatten darin keinen Platz! Der österreichische Ständestaat scheiterte an seinen Widersprüchen, bzw. wurde durch ein anderes diktatorisches Regime aufgelöst, das 1945 ebenfalls wieder beseitigt wurde. |
Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher) |
Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen | Hans Gwiggner, Jahre voller Sorge – Kriegs-, Not- und Umbruchzeiten im Wörgler Blickfeld, in: Josef Zangerl (Hg.), Wörgl – ein Heimatbuch, Wörgl 1998, S. 281-320; Oberkofler Gerhard, Die Tiroler Arbeiterbewegung von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg [Materialien zur Arbeiterbewegung 13], Wien 1979; Helmut Alexander, „... keiner soll der rücksichtslosen Vergewaltigung anheim fallen.“ Zur Auflösung des Tiroler Landtags im Februar 1934, in: Zeitgeschichte 21/3-4 (1994), S. 109-128. |
Datum der Erfassung | 2019-11-30 |
Datum der letzten Bearbeitung | 2020-01-07 |
letzter Bearbeiter | kuf woergl |