Kalenderstein

Felszeichnungen, -inschriften und -ritzungen

Gemeinde: Pulkau

Zeitkategorie: vorchristliche Funde

Chronik:

Beschreibung:

Als „Stein im Aul“ ragt er östlich von der Ortskapelle weithin sichtbar aus dem felsigen Grund. Etwa drei Meter hoch und mit einer Seitenlänge von ca. acht Meter ist er wohl das älteste Denkmal in unserer Gegend. Zwei senkrechte Wandseiten sind genau in Nord-Süd- bzw. in Ost-West-Richung angeordnet. An der südseitigen Wand befindet sich in einem Abstand von ca. 70 cm ein Spitzpfeiler (Menhir), der zur Ost-West-Wand einen Visier-Spalt bildet. Damit ist die Möglichkeit gegeben, Sonnen-, Mond- und Sternen-Stände zu beobachten. „Urleodagger“ hatten somit eine von der Natur geschaffene „Sternwarte“. Mit dieser Hilfe haben sie im Osten auf einer ca. 1 km langen Lößdüne die Sonnen- und Mondstände weithin sichtbar markiert. Man konnte, wie die Skizze zeigt, die wichtigsten Sonnenstände wie Tag- und Nachtgleiche und Sonnwendzeitpunkte fixieren und die Teilung des Jahres in vier Zeitabschnitte ermitteln. Die Menschen richteten nach dieser Zeiteinteilung ihr Leben und ihre Arbeit aus. Man besaß einen „Kalender“, der vornehmlich zur Arbeitseinteilung in der Landwirtschaft diente. Tag- und Nachtgleiche, wenn also die Sonne am „21. März“ (eine derartige Zeitrechnung gab es damals noch nicht) genau im Spalt im Osten aufging, bestimmt die Anbauzeit. Heute ist der Josefitag (19. März) ein so genannter Lostag.
Diese Zeitbestimmung mit Hilfe der Sonne diente auch der Fixierung von Festen. Unsere Vorfahren glaubten auch in der vorchristlichen Zeit an ein höheres Wesen, dem in Dankbarkeit Opfer dargebracht wurden. Steine in der Art wie der Kalenderstein wurden zu Kultsteinen, die auch „Heiligensteine“ genannt wurden. Man pilgerte an bestimmten Tagen zu ihnen. Sonnwendfeuer wurden zum Höchststand der Sonne (21. Juni) und zur Neugeburt des Jahres, im Winter, angezündet. Es wurden dort Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterfeste abgehalten.
Auf dem Plateau sind einige große Schalen, die schon sehr verwittert sind, zu sehen. Sind es Opferschalen für Tieropfer, deren Blut man über den Felsblock fließen ließ? Außer diesen Schalen befinden sich oben auf dem Felsblock auf einer waagrechten von Nord nach Süd verlaufenden Steinkante 16 Schälchen (Näpfchen). Damit wurden die oben genannten vier Zeitabschnitte nochmals unterteilt. Hatten die Kelten 16 Monate (Mondmonate) oder 32 Wochen im Jahr? Nach Astrophysiker Heino Eclsan aus Tartu (Estland) kann mittels eines Schattenstabes (Gnomon) - aufgestellt neben der südlichen Seitenwand - die Wanderung des Schattens zur Mittagszeit vom ersten Schälchen im Sommer (21. 6.) bis zum sechzehnten Schälchen im Winter (24. 12.) verfolgt werden (Skizze!). Das Schälchen in der Mitte der Reihe ist stärker vertieft als die anderen. Die Schattenspitze des Stabes gelangt dort genau zum Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche an. Mit der zusätzlichen „Schälchenmarkierung“ wurden Festtage, die jeweils am Beginn einer Jahreszeit abgehalten wurden, ermittelt. So wurde am 2. Februar Imbolc (heute Maria Lichtmess) – der Frühlingsbeginn, am 1. Mai Beltane (heute Maibaumaufstellen) – der Sommerbeginn, am 6. August Lugnasad (heute Christi Verklärung) – der Herbstbeginn und am 1. November Samuin (heute Allerheiligen, Allerseelen) – der Winterbeginn festlich begangen. Am 2. Februar feierte man den Sieg des Lichtes über die Finsternis und am 1. Mai mit dem Frühlingsfest den Beginn der Wärme, der Freude und der Jagd. Am 6. August – vor der Ernte – gab man ein Fest zu Ehren der Großen Mutter, der Beschützerin des Ackerbaues, mit der Bitte an die Korngötter oder an die Kornmutter, das Getreide in der gefährlichen Zeit vor Gewitter zu schützen, es vor großer Hitze, vor Kälte, Schädlingen oder Brand zu bewahren. Man bat einfach um eine gute Einbringung der Ernte. Am 31. Oktober bzw. 1. November wurde schließlich der Dank an die Sonne und die Erde, deren Gaben den Tisch für ein ganzes Jahr deckten, ausgesprochen (Erntedank), und gleichzeitig bat man auch um Hilfe für das kommende Sommerhalbjahr. Nicht nur Götter ersuchte man um Unterstützung, sondern auch die Toten bat man um ein günstiges neues Jahr. Diese Festordnung beschreibt Inge Resch-Rauter in ihrem Buch „Auf den Spuren der Druiden“.
Neben Gottverehrung und Jahresteilung (Kalenderfunktion) hatte der „Stein in Leodagger“ noch eine weitere Funktion, nämlich die einer „Volksapotheke“. Da man den Stein als „unsterblich“ ansah, glaubten die Urahnen, dass in ihm geheime Kräfte – auch Heilkräfte – steckten. Sie pilgerten dorthin, beteten ihn an und baten um langes Leben, Nachkommenschaft, gute Ernte und Vermehrung der Tiere – einfach ums Wohlergehen. Besonders Frauen verehrten diese Steine sehr. Sie rutschten auf der schrägen Stelle des Steines hinunter in der Hoffnung auf Kindersegen, bzw. junge Mädchen auf baldige Heirat unter dem Motto „Kommst du guat unten an, so griagst an guaten Mann“. In einem Volkslied heißt es auch „Ich steh auf einem breiten Stein, wer mich lieb hat, der holt mich heim“.
Um die Kräfte des Steines zu nutzen, bohrte man ihn an bzw. rieb man Schalen, um Steinmehl zu gewinnen, welches man als Medizin mit Wasser oder Wein schluckte.
Viele Aufgaben erfüllte der „Stein im Aul“ für die Urbevölkerung, die Jahrtausende lang den Sonnwendberg und später den darunter befindlichen Taleinschnitt besiedelte. Erst das Christentum und der so genannte Gregorianische Kalender haben ihn unbedeutend gemacht.

Details

Gemeindename Pulkau
Gemeindekennzahl 31035
Ortsübliche Bezeichnung Kalenderstein
Objektkategorie 1100 ( Felszeichnungen, -inschriften und -ritzungen | | )

Katastralgemeinde Leodagger -- GEM Pulkau
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer 663 und 668/2
Ortschafts- bzw. Ortsteil 3741 Leodagger
Straße und Hausnummer bzw. Flurname Leodagger 54
Längengrad 15.860024
Breitengrad 48.720038

denkmalgeschützt --

Höhe (m) 3
gemessen od. geschätzt geschätzt
Breite (m) 8
gemessen od. geschätzt geschätzt
Tiefe (m)
gemessen od. geschätzt --

Zustandsklassifizierung sehr gut
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös:
empfohlene Maßnahmen

Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) Als „Stein im Aul“ ragt er östlich von der Ortskapelle weithin sichtbar aus dem felsigen Grund. Etwa drei Meter hoch und mit einer Seitenlänge von ca. acht Meter ist er wohl das älteste Denkmal in unserer Gegend. Zwei senkrechte Wandseiten sind genau in Nord-Süd- bzw. in Ost-West-Richung angeordnet. An der südseitigen Wand befindet sich in einem Abstand von ca. 70 cm ein Spitzpfeiler (Menhir), der zur Ost-West-Wand einen Visier-Spalt bildet. Damit ist die Möglichkeit gegeben, Sonnen-, Mond- und Sternen-Stände zu beobachten. „Urleodagger“ hatten somit eine von der Natur geschaffene „Sternwarte“. Mit dieser Hilfe haben sie im Osten auf einer ca. 1 km langen Lößdüne die Sonnen- und Mondstände weithin sichtbar markiert. Man konnte, wie die Skizze zeigt, die wichtigsten Sonnenstände wie Tag- und Nachtgleiche und Sonnwendzeitpunkte fixieren und die Teilung des Jahres in vier Zeitabschnitte ermitteln. Die Menschen richteten nach dieser Zeiteinteilung ihr Leben und ihre Arbeit aus. Man besaß einen „Kalender“, der vornehmlich zur Arbeitseinteilung in der Landwirtschaft diente. Tag- und Nachtgleiche, wenn also die Sonne am „21. März“ (eine derartige Zeitrechnung gab es damals noch nicht) genau im Spalt im Osten aufging, bestimmt die Anbauzeit. Heute ist der Josefitag (19. März) ein so genannter Lostag.
Diese Zeitbestimmung mit Hilfe der Sonne diente auch der Fixierung von Festen. Unsere Vorfahren glaubten auch in der vorchristlichen Zeit an ein höheres Wesen, dem in Dankbarkeit Opfer dargebracht wurden. Steine in der Art wie der Kalenderstein wurden zu Kultsteinen, die auch „Heiligensteine“ genannt wurden. Man pilgerte an bestimmten Tagen zu ihnen. Sonnwendfeuer wurden zum Höchststand der Sonne (21. Juni) und zur Neugeburt des Jahres, im Winter, angezündet. Es wurden dort Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterfeste abgehalten.
Auf dem Plateau sind einige große Schalen, die schon sehr verwittert sind, zu sehen. Sind es Opferschalen für Tieropfer, deren Blut man über den Felsblock fließen ließ? Außer diesen Schalen befinden sich oben auf dem Felsblock auf einer waagrechten von Nord nach Süd verlaufenden Steinkante 16 Schälchen (Näpfchen). Damit wurden die oben genannten vier Zeitabschnitte nochmals unterteilt. Hatten die Kelten 16 Monate (Mondmonate) oder 32 Wochen im Jahr? Nach Astrophysiker Heino Eclsan aus Tartu (Estland) kann mittels eines Schattenstabes (Gnomon) - aufgestellt neben der südlichen Seitenwand - die Wanderung des Schattens zur Mittagszeit vom ersten Schälchen im Sommer (21. 6.) bis zum sechzehnten Schälchen im Winter (24. 12.) verfolgt werden (Skizze!). Das Schälchen in der Mitte der Reihe ist stärker vertieft als die anderen. Die Schattenspitze des Stabes gelangt dort genau zum Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche an. Mit der zusätzlichen „Schälchenmarkierung“ wurden Festtage, die jeweils am Beginn einer Jahreszeit abgehalten wurden, ermittelt. So wurde am 2. Februar Imbolc (heute Maria Lichtmess) – der Frühlingsbeginn, am 1. Mai Beltane (heute Maibaumaufstellen) – der Sommerbeginn, am 6. August Lugnasad (heute Christi Verklärung) – der Herbstbeginn und am 1. November Samuin (heute Allerheiligen, Allerseelen) – der Winterbeginn festlich begangen. Am 2. Februar feierte man den Sieg des Lichtes über die Finsternis und am 1. Mai mit dem Frühlingsfest den Beginn der Wärme, der Freude und der Jagd. Am 6. August – vor der Ernte – gab man ein Fest zu Ehren der Großen Mutter, der Beschützerin des Ackerbaues, mit der Bitte an die Korngötter oder an die Kornmutter, das Getreide in der gefährlichen Zeit vor Gewitter zu schützen, es vor großer Hitze, vor Kälte, Schädlingen oder Brand zu bewahren. Man bat einfach um eine gute Einbringung der Ernte. Am 31. Oktober bzw. 1. November wurde schließlich der Dank an die Sonne und die Erde, deren Gaben den Tisch für ein ganzes Jahr deckten, ausgesprochen (Erntedank), und gleichzeitig bat man auch um Hilfe für das kommende Sommerhalbjahr. Nicht nur Götter ersuchte man um Unterstützung, sondern auch die Toten bat man um ein günstiges neues Jahr. Diese Festordnung beschreibt Inge Resch-Rauter in ihrem Buch „Auf den Spuren der Druiden“.
Neben Gottverehrung und Jahresteilung (Kalenderfunktion) hatte der „Stein in Leodagger“ noch eine weitere Funktion, nämlich die einer „Volksapotheke“. Da man den Stein als „unsterblich“ ansah, glaubten die Urahnen, dass in ihm geheime Kräfte – auch Heilkräfte – steckten. Sie pilgerten dorthin, beteten ihn an und baten um langes Leben, Nachkommenschaft, gute Ernte und Vermehrung der Tiere – einfach ums Wohlergehen. Besonders Frauen verehrten diese Steine sehr. Sie rutschten auf der schrägen Stelle des Steines hinunter in der Hoffnung auf Kindersegen, bzw. junge Mädchen auf baldige Heirat unter dem Motto „Kommst du guat unten an, so griagst an guaten Mann“. In einem Volkslied heißt es auch „Ich steh auf einem breiten Stein, wer mich lieb hat, der holt mich heim“.
Um die Kräfte des Steines zu nutzen, bohrte man ihn an bzw. rieb man Schalen, um Steinmehl zu gewinnen, welches man als Medizin mit Wasser oder Wein schluckte.
Viele Aufgaben erfüllte der „Stein im Aul“ für die Urbevölkerung, die Jahrtausende lang den Sonnwendberg und später den darunter befindlichen Taleinschnitt besiedelte. Erst das Christentum und der so genannte Gregorianische Kalender haben ihn unbedeutend gemacht.
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details

Zeitkategorie vorchristliche Funde
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen)
Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher)

Kalenderstein
2004
Christoph Puschnik

Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen Puschnik Alois, Gottes Steine - Pulkauer Kleindenkmäler S.92ff, Groß-Reipersdorf 2004

Norbert Redl
Datum der Erfassung 2016-02-29
Datum der letzten Bearbeitung 2019-01-29
letzter Bearbeiter Angelika Ficenc

Standort

Kommentare

Sie müssen sich einloggen, um selbst Kommentare abgeben zu können!

Erfassung nicht geprüft

Ähnliche Objekte