Kapelle zur Hl. Kümmernis
Gemeinde: Gaming
Zeitkategorie: 17. Jahrhundert
Chronik:
Stiftungsgrund nicht bekannt. Aber es gibt eine Geschichte der Heiligen Kümmernis:
Die Tochter eines heidnischen portugiesischen Königs konvertierte vom Vater unbemerkt zum Christentum und gelobte, so jungfräulich zu bleiben wie die Gottesmutter Maria. Als ihr Vater Wilgefortis – so war ihr Name (vermutlich abgeleitet aus dem Lateinischen: virgo fortis, also starke Jungfrau) – sie gegen ihren Willen verheiraten wollte, begehrte sie gegen die erzwungene Heirat auf. Sie betete zu Gott er möge sie verunstalten, damit sie der Heirat mit dem ungläubigen Heiden entgehen könne.
Und es geschah: Gott erhörte das bitterliche Flehen der jungen Frau. Ganz nach seinem Bildnis wuchs Wilgefortis ein hübscher, dichter, wallender Bart. Der damit konfrontierte Vater war ob dieser unverhergesehenen Entwicklung der Lage aber nicht sonderlich amüsiert und ließ die Jungfrau daraufhin "nach Art ihres gekreuzigten Gottes" ebenfalls durch Kreuzigung hinrichten. Vom Kreuz herab soll die standhafte junge Dame allerdings noch drei Tage lang tausende Heiden zum Christentum bekehrt haben, auch ihren Vater. Was diesen jedoch offenbar dennoch nicht dazu veranlassen konnte, ihr den grausigen Tod am Kreuz zu ersparen.
Der arme Spielmann:
Die herzzerreißende Geschichte ist aber noch nicht zu Ende. Da ist ja noch den Spielmann, der zu Füßen der Gekreuzigten so hingebungsvoll auf seiner Geige musiziert. Denn im Laufe der Jahrhunderte wurde die ursprüngliche Geschichte von Wilgefortis noch durch weitere Legenden und Berichte von unerklärlichen Wundern angereichert. Dazu zählt auch die Geschichte des Geigers.
Vor dem Bild der Heiligen Kümmernis geigte einst ein in Not geratener Spielmann und bat um ihre Hilfe. Und das Wunder geschah: Die Heilige entlohnte den Burschen mit einem herabgeworfenen, kostbaren Schuh. Der daraufhin des Diebstahls angeklagte Geiger bewies seine Unschuld, indem er erneut vor dem Bilde aufspielte und seine Not klagte. Vor den Augen aller Ungläubigen warf ihm die Heilige auch den zweiten goldenen Schuh in die Arme.
Die Legende beruht übrigens vermutlich auf einer Missdeutung bekleideter Kruzifixbilder vom Typus des Volto Santo von Lucca. Der Gekreuzigte, dargestellt im wallenden Kleid statt gerafftem Lendenschurz, wurde offenbar trotz männlicher Kennzeichnung durch einen Bart als Frau missverstanden.
Der Legende von Wilgefortis nahmen sich schließlich auch die Gebrüder Grimm an.Im zweiten Teil der Erstauflage der Hausmärchen aus dem Jahr 1815 findet sich das Märchen "Die heilige Frau Kummernis". Und so endet das Märchen bei den Brüdern Grimm:
Also wurde der Geiger der Eisen und Bande ledig, zog vergnügt seiner Straßen, die heilige Jungfrau aber hieß Kümmernis.
Beschreibung:
Gemauerte Kapelle verschlossen durch schönes altes Eisengitter. Kunstvolle Kapelle enthält ein ca. 2 x 1 m großes Wandbild mit Darstellung der gekreuzigten Hl. Wilgefortis oder Hl. Kümmernis und einem knieenden Geiger
Diese seit dem Mittelalter gepflogene Heiligendarstellung finde ich in unserem Mostviertel als sicher erwähnenswerte und beschreibenswürdige Seltenheit - geschmiedete Handarbeit.
Details
Gemeindename | Gaming |
Gemeindekennzahl | 32001 |
Ortsübliche Bezeichnung | Kapelle zur Hl. Kümmernis |
Objektkategorie | 1533 ( Religiöse Kleindenkmäler | Bildstöcke | Kapellenbildstöcke) |
Katastralgemeinde | Kienberg -- GEM Gaming |
Flurstücks- bzw. Grundstücksnummer | 4247 |
Ortschafts- bzw. Ortsteil | |
Straße und Hausnummer bzw. Flurname | Erlauftalstraße |
Längengrad | 15.130592 |
Breitengrad | 47.947077 |
denkmalgeschützt | nicht geschuetzt |
Höhe (m) | 2.8 |
gemessen od. geschätzt | geschätzt |
Breite (m) | 1.8 |
gemessen od. geschätzt | geschätzt |
Tiefe (m) | 1.5 |
gemessen od. geschätzt | geschätzt |
Zustandsklassifizierung | sehr gut |
Falls sanierungsbedürftig od. ruinös: empfohlene Maßnahmen |
Beschreibung des Objekts (Deutung, Material und Technik) | Gemauerte Kapelle verschlossen durch schönes altes Eisengitter. Kunstvolle Kapelle enthält ein ca. 2 x 1 m großes Wandbild mit Darstellung der gekreuzigten Hl. Wilgefortis oder Hl. Kümmernis und einem knieenden Geiger Diese seit dem Mittelalter gepflogene Heiligendarstellung finde ich in unserem Mostviertel als sicher erwähnenswerte und beschreibenswürdige Seltenheit - geschmiedete Handarbeit. |
Bei besonderen Objekten: Beschreibung von Details | |
Zeitkategorie | 17. Jahrhundert |
Ursprungsdaten, Chronik: (Zeit und Ursache der Errichtung bzw. Überlieferung, Namen der Urheber, Künstler bzw. Handwerker, Sanierungen) | Stiftungsgrund nicht bekannt. Aber es gibt eine Geschichte der Heiligen Kümmernis: Die Tochter eines heidnischen portugiesischen Königs konvertierte vom Vater unbemerkt zum Christentum und gelobte, so jungfräulich zu bleiben wie die Gottesmutter Maria. Als ihr Vater Wilgefortis – so war ihr Name (vermutlich abgeleitet aus dem Lateinischen: virgo fortis, also starke Jungfrau) – sie gegen ihren Willen verheiraten wollte, begehrte sie gegen die erzwungene Heirat auf. Sie betete zu Gott er möge sie verunstalten, damit sie der Heirat mit dem ungläubigen Heiden entgehen könne. Und es geschah: Gott erhörte das bitterliche Flehen der jungen Frau. Ganz nach seinem Bildnis wuchs Wilgefortis ein hübscher, dichter, wallender Bart. Der damit konfrontierte Vater war ob dieser unverhergesehenen Entwicklung der Lage aber nicht sonderlich amüsiert und ließ die Jungfrau daraufhin "nach Art ihres gekreuzigten Gottes" ebenfalls durch Kreuzigung hinrichten. Vom Kreuz herab soll die standhafte junge Dame allerdings noch drei Tage lang tausende Heiden zum Christentum bekehrt haben, auch ihren Vater. Was diesen jedoch offenbar dennoch nicht dazu veranlassen konnte, ihr den grausigen Tod am Kreuz zu ersparen. Der arme Spielmann: Die herzzerreißende Geschichte ist aber noch nicht zu Ende. Da ist ja noch den Spielmann, der zu Füßen der Gekreuzigten so hingebungsvoll auf seiner Geige musiziert. Denn im Laufe der Jahrhunderte wurde die ursprüngliche Geschichte von Wilgefortis noch durch weitere Legenden und Berichte von unerklärlichen Wundern angereichert. Dazu zählt auch die Geschichte des Geigers. Vor dem Bild der Heiligen Kümmernis geigte einst ein in Not geratener Spielmann und bat um ihre Hilfe. Und das Wunder geschah: Die Heilige entlohnte den Burschen mit einem herabgeworfenen, kostbaren Schuh. Der daraufhin des Diebstahls angeklagte Geiger bewies seine Unschuld, indem er erneut vor dem Bilde aufspielte und seine Not klagte. Vor den Augen aller Ungläubigen warf ihm die Heilige auch den zweiten goldenen Schuh in die Arme. Die Legende beruht übrigens vermutlich auf einer Missdeutung bekleideter Kruzifixbilder vom Typus des Volto Santo von Lucca. Der Gekreuzigte, dargestellt im wallenden Kleid statt gerafftem Lendenschurz, wurde offenbar trotz männlicher Kennzeichnung durch einen Bart als Frau missverstanden. Der Legende von Wilgefortis nahmen sich schließlich auch die Gebrüder Grimm an.Im zweiten Teil der Erstauflage der Hausmärchen aus dem Jahr 1815 findet sich das Märchen "Die heilige Frau Kummernis". Und so endet das Märchen bei den Brüdern Grimm: Also wurde der Geiger der Eisen und Bande ledig, zog vergnügt seiner Straßen, die heilige Jungfrau aber hieß Kümmernis. |
Chronik - allfällige Ergänzungen: (z.B. Sagen, Legenden, Überlieferungen ausführlicher) |
Informationsquellen, Literatur und weitere Quellen | Buchhinweis: Ilse E. Friesen: The Female Crucifix. Images of St. Wilgefortis Since the Middle Ages Wilfried Laurier University Press, 2001 Ersterfasser Dr. Reinhard Gruber TUTSCHEKS ZEITREISEBLOG - Kurt Tutschek in derStandard vom 13.02.2017 - "Ein weiblicher Jesus? Die Geschichte der Heiligen Kümmernis" |
Datum der Erfassung | 2020-06-15 |
Datum der letzten Bearbeitung | 2020-06-20 |
letzter Bearbeiter | Angelika Ficenc |